Einfach nur verschwinden: Alles so leicht


Stevie wurde über Nacht von ihrem Vater in ein Therapiezentrum am anderen Ende der USA eingewiesen. Aber sie hat nicht vor, sich helfen zu lassen, ganz im Gegenteil: Mit aller Kraft versucht Stevie ihren Plan umzusetzen, trotz ihres unfreiwilligen Aufenthaltes in der abgeschieden liegenden Wüstenklinik. In 27 Tagen ist es soweit, der erste Jahrestag eines traumatischen Ereignisses kommt näher und Stevie hat nicht vor, ihn zu überleben.
Anna, ihrer Therapeutin, die sie lieber entmenschlicht SK (für Seelenklempnerin) nennt, möchte sie sich nicht anvertrauen. Sie kann nicht darüber sprechen, was zwischen ihr, ihrem Bruder Josh und Eden passiert ist.
Sie verweigert sich der Therapie, dem Essen, ihren quälenden Erinnerungen ebenso wie den freundschaftlichen Annäherungen ihrer fülligen Zimmergenossin Ashley. Denn Stevie hat nicht vor, schwach zu werden, zu essen oder gar weiterzuleben.

„Die ersten Stunden sind geprägt von Snacks und Mahlzeiten, die ich verweigere. 
Die unberührten Kalorien brennen sich in mein Bewusstsein wie komplizierte Gleichungen.
Ich habe meine Rechenaufgaben erledigt; ich weiß, wie viel Gewicht ich ungefähr noch verlieren muss, damit mein Herz mit einem letzten Zucken den Dienst versagt. 
Der Tod ist keine exakte Wissenschaft, was für uns, 
die wir Genauigkeit zur Religion erheben, ziemlich nervtötend ist.“

„Alles so leicht“ ist Meg Hastons Debütroman, den sie nach einer persönlichen Erfahrung mit einer Essstörung verfasst hat. Der Roman handelt von den 28 Tagen, welche Stevie, ihre Protagonistin, in einer Klinik für Teenager mit Essstörungen verbringt. Widerwillig sträubt sie sich zunächst jegliche Hilfestellung anzunehmen, sie verweigert alle Nahrung und ist entschlossen, ihren Zeitplan einzuhalten. Schon zu lange plant sie für ihr Verschwinden, zu sehr hat sie sich dafür angestrengt, als dass sie sich nun durch etwas Reden davon abbringen ließe.  Ihre Essstörung bahnte sich jedoch schon seit Kindertagen im Vergleich mit ihrer schlanken, schönen Mutter an. Mittlerweile steckt aber mehr dahinter: Das Weggehen der Mutter war nur ein Auslöser, ihre Essstörung ist Stevie ein Begleiter geworden, eine Aufgabe und eine Sicherheit, in die sie sich flüchten kann, wenn ihr das Leben und ihre Schuldgefühle zu viel werden.
Eden, eine selbstbewusste Studentin, ist nach dem Verlust ihrer Mutter das Zentrum ihres kleinen Mikrokosmos geworden. In der Klinik ist Stevie nun aber völlig allein.
Sie ist eines der roten Mädchen, sie trägt ein rotes Armband, weil sie Nahrung gänzlich verweigert. Gelbe und Grüne Mädchen hält sie für schwach – sie muss stark sein, um in nur 28 Tagen ihren eigenen Tod wie geplant herbeizuführen. Ihre Anorexie ist ihr als einziges geblieben, nur sie kann sie kontrollieren. Umso schockierter ist Stevie, als ihre Diagnose fällt: Bulemie, nicht Anorexie. Schwach macht sie das, es führt ihr ihre eigene Unzulänglichkeit vor Augen. Sie beginnt langsam zu essen, denn mit einer Magensonde wird sie ihren Plan nicht umsetzen können. Die Zeit fliegt davon und mit jedem Bissen und jedem Gespräch lässt Stevie ihre Therapeutin und auch Ashley näher an sich heran.
„Alles so leicht“ überzeugt durch seine ungeschönte, vielschichtige Handlung und das authentisch behandelte Thema des Lebens mit einer Essstörung. Trotz all der unglücklichen, traumatischen Erlebnisse, Schuldgefühle und Selbstmordgedanken, die Stevie zu der gemacht haben, die sie am Beginn des Romans ist, gelingt es Haston, ihrer Stimme einen sarkastischen Humor und zuweilen eine flüchtige Leichtigkeit zuteil werden zu lassen, welche die Stimmung des Romans auflockert. Ein wirklich groaßartiges, berührendes Jugendbuch mit einer starken Protagonistin!

Alles so leicht (orig. Paperweight)
von Meg Haston
2015 Thienemann
ISBN 978-3-522-20215-2
 
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