Atmosphärische Ungewissheit: The Graces

 
Die Graces, die drei Kinder der Familie Grace, Summer, Thalia und Fenrir, strahlen eine Aura des Ätherischen, Mysteriösen, Gefährlichen und dadurch ultimativ Begerenswerten aus. Alle in der kleinen Stadt wollen so sein wie sie: schön, rebellisch, anbetungswürdig. Aber eben auch ein klein wenig gefährlich. Denn die Graces sind nicht nur Äußerlich anders als die anderen, seit langem kursiert das lebhafte Gerücht, sie seien Hexen. Nichts ist erstrebenswerter, als im engeren Zirkel einer der Graces zu sein oder gar ihr Freund. Aber ist es wirklich so erstrebenswert, den Graces nah zu sein?

“So I felt like I should warn you, from one Grace reject to the next, what that’s actually like.
Because it feels good now, but when you do something they don’t like, 
your life is going to get very wrong. 
And as soon as everyone else notices you’re out of favour, the rumours will start. 
To be shut out and rejected,
when you’re not even the bad guy … you’ll see how it feels.
It’s not them. It’s never them. It’s everyone else.“

Laure Eve’s „The Graces“ ist der erste Band einer Trilogie, welche die Geschichte der drei Grace Geschwister und River erzählt. Trilogien haben mich in letzter Zeit (und insbesondere im Young Adult Genre) mehrheitlich enttäuscht, aber bisher gestaltet sich dieser Auftakt als vielversprechend.
River, neu in dem kleinen Städtchen an der Küste angekommen, aus Gründen, die sie uns als Erzählerin lange vorenthält, beobachtet interessiert das Aufhebens und die Gerüchte, denen man über die Graces nicht entgehen kann. Nahezu systematisch plant sie, wie sie den Graces näherkommen möchte, denn auch sie ist fasziniert von den Geschwistern, die Hexen sein sollen. Aber sind die Graces wirklich Hexen? Was genau River an diesem nachhaltigen Gerücht so fesselt, wonach sie so fanatisch sucht, das verrät sie uns nicht. Aber es sich sicher nicht nur das Charisma und Aussehen von Fenrin, obwohl es zunächst sehr danach aussieht.  Das würde River allerdings noch lange nicht zu etwas Besonderem machen, an einer Schule, an der alle sind ein bisschen verliebt sind in die Graces. Rivers Interesse scheint tiefer zu gehen, rührt am unbändigen Wunsch, Magie müsse und könne wahr sein, wenn man aufrichtig daran glaubt. Ihre obsessive Fixierung auf die Graces scheint immer gefährlicher für alle Beteiligten zu werden – sie verheimlicht die Wahrheit, lügt und trifft impulsive, weitreichende Entscheidungen. So kommt es, wie es kommen muss, weil ein Fluch auf den Graces liegt (oder doch aus einem anderen Grund?) – die Liebe zu einem von ihnen muss immer tragisch enden.
„The Graces“ ist ein ruhiger, atmosphärischer Roman. Es gibt keine langen (oder kurzen) Action-Sequenzen, keine Gewaltexzesse, keine expliziten Schockmomente. Stattdessen arbeitet Laure Eve mit einer unzuverlässigen Erzählerstimme, die dem Leser mehr vorenthält, als sie ihm im inneren Monolog offenbart. Sarkastisch trockene Beschreibungen ihrer Umwelt wechseln sich dabei mit bewusst vage gehaltenen Schilderungen ab, wann immer River nicht zu viel von sich und ihren wahren Motiven offenbaren möchte. So sehen Leser nahezu dieselbe Maske, welche sie auch den Graces präsentiert. Die Handlung plätschert langsam dahin, so dass das gesamte Buch im Grunde eher ein Auftakt ist, der erst in seiner zweiten Hälfte an Dramatik und Sogkraft gewinnt. All das macht es jedoch keinesfalls zu einem schlechten Roman, im Gegenteil. Eve destilliert Stimmungen in einer sehr präzisen Art und Weise, erzeugt damit eine sich nachvollziehbar steigernde Obsession und macht die Rohheit der Wünsche und Emotionen ihrer Protagonistin greifbar. Weshalb ich absolut kein Verständnis für Vergleiche mit „Twilight“ habe – denn es geht mitnichten um eine Teenie-Schmachtliebe à la glitzerndem Edward.
„The Graces“ handelt von Magie, vor allem geht es jedoch um den Glauben an selbige und den Wunsch, nicht mehr allein zu sein, sondern endlich dazuzugehören. Eine andere Art von YA, die gespannt auf die Fortsetzung „The Curses“ macht.

The Graces
von Laure Eve
2016 Faber and Faber Limited
ISBN 978-0-571-32680-8

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